Leichter gesagt, als getan! Insbesondere für Betroffene von Sexual- und Gewaltstraftaten gestaltet sich dies schwierig, da ein traumatisches Ereignis, wie bspw. ein sexueller Übergriff, nicht nur im Kopf gespeichert wird, sondern auch im Körpergedächtnis. In meinem heutigen Blogbeitrag erläutere ich, wie es gelingen kann, Körper und Geist von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien.
“Das menschliche Leben ist kurz. Entscheidet euch dafür, in eurem Inneren frei zu sein, denn das ist die einzige Freiheit die es gibt.” - OSHO
Wahrscheinlich kennt jeder in seinem Leben diese Momente: Wir suchen in äusseren Umständen oder anderen Menschen die uns unbeeinflussbar erscheinende Ursache für das eigene Scheitern oder das eigene Leid. Die Rede ist hier von einer geistigen Opferhaltung. Natürlich gibt es im Leben immer wieder irgendwelche äussere Umstände, die du nicht beeinflussen oder ändern kannst. Die entscheidende Frage ist, wie du damit umgehst. Es ist deine Geisteshaltung, mit der du diesen Umständen Macht über dich verleihst und nur du kannst sie ihnen wieder nehmen. Ich meine damit, dass du selbst (wieder) wirksam wirst, das Steuer in deinem Leben (wieder) in die Hand nimmst! Das beginnt in deinem Geist mit einer klaren Vision, setzt Hingabe, Neugier und Offenheit voraus und manifestiert sich in achtsamen, kreativen Handlungen, die deine Absicht nach aussen sichtbar werden lassen.
Bist du allerdings Opfer einer Sexual- oder Gewaltstraftat geworden oder hast du sonst eine traumatische Erfahrung (z.B. Unfall) erlebt, dann gestaltet sich dieser Prozess – je nach Art und Schwere der Grenzüberschreitung – schwieriger. Doch auch in diesem Fall gibt es Wege da raus.
1. Nenne die Dinge beim Namen.
Hast du das Gefühl, Schuld zu sein an dem, was dir widerfahren ist? Viele Betroffene von Sexual- und Gewaltstraftaten empfinden Schuldgefühle. Doch wisse: Du hast das Recht auf sexuelle, körperliche und psychische Unversehrtheit. Niemand hat das Recht dich ohne deine ausdrückliche Einwilligung anzufassen oder deine Schwäche bzw. Abhängigkeit auszunutzen!
Schweige nicht aus Scham! Je nach Art bzw. Schwere der Grenzüberschreitung kann ein klärendes Gespräch mit der übergriffigen Person reichen, um dir Gehör zu verschaffen und klare Grenzen zu setzen. Fühlst du dich unsicher, dann bitte eine Person deines Vertrauens, dich zu unterstützen, oder wende dich an eine Fachperson.
Bei Paarkonflikten kann eine Paarberatung hilfreich sein, da eine neutrale Drittperson die Gesprächsführung übernehmen, Verständnis für die andere Wahrnehmung des Gegenübers fördern und neue Sichtweisen sowie Lösungsansätze einbringen kann.
Für manche Betroffene einer Gewalt- oder Sexualstraftat ist es heilsam, sich in einer Strafuntersuchung Gehör und (soweit möglich) Recht zu verschaffen. Es ist ratsam, dich vorab genau zu informieren, was auf dich zukommt, wenn du dich zu einer Anzeige entschliesst, und dich durch eine kompetente, empathische Fachperson begleiten zu lassen.
2. Nimm dir Zeit für Heilung.
Wie lange es dauert zu heilen und was du dazu brauchst, ist sehr individuell. Wichtig zu wissen ist, dass das Erleben eines traumatischen Ereignisses, wie bspw. ein sexueller Übergriff, nicht nur im Kopf gespeichert wird, sondern auch im Körpergedächtnis. Deshalb ist eine körperorientierte Therapieform wie bspw. Tanz- und Bewegungstherapie (d.h. eine künstlerische, körperorientierte Psychotherapie) oder „Somatic Experience“ nach Peter A. Levine empfehlenswert. Elemente einer solchen Therapie sind u.a.:
Du lernst, dich wieder sicher zu fühlen im eigenen Körper.
Du lernst, die Körperreaktionen in bzw. nach einer überwältigenden Situation zu verstehen.
Du entwickelst Achtsamkeit und Mitgefühl für dich selber.
Du lernst, deinen Körper (wieder) zu spüren, das heisst deine Körperempfindungen wahrzunehmen und zu verstehen.
Du lernst, (wieder) Kontakt zu deinen Gefühlen herzustellen, diese wahrzunehmen und zu benennen.
Du setzt dich mit deinen Triggern auseinander.
Du lernst, gesunde Grenzen zu setzen.
Du stärkst deine Resilienz.
Deine Gefühle und Körperempfindungen wie Schockstarre, innere Unruhe, Angst, Wut und Trauer müssen in achtsamer, schrittweiser Annäherung gefühlt, ausgedrückt und körperlich verarbeitet werden, um eine echte Chance auf Heilung erfahren zu können. Das mag abschreckend klingen. Es ist deshalb wichtig, sich in einem therapeutischen Rahmen langsam und schrittweise diesen beängstigenden Empfindungen und Gefühlen anzunähern, nachdem man Strategien gelernt hat, sich zu zentrieren und sich die Gegenwart bewusst zu machen: „Jetzt (in dieser Therapiestunde) bin ich nicht in Gefahr!“.
3. Denk über Vergebung nach.
Es geht dabei nicht darum, dass du die Handlungen des Täters rechtfertigst oder entschuldigst. Es geht darum, deinen Geist von der Vergangenheit zu befreien und deine Kraft wieder auf Licht und Freude auszurichten, damit diese auch wieder Einzug in dein Leben halten können. Vergebungsarbeit ist ein Prozess, welcher Teil einer (körperorientierten) Therapie sein sollte, wobei mit dem/der Klient*in besprochen wird, wann der geeignete Zeitpunkt dafür ist und in welcher Form dieser Prozess ablaufen soll. Schmerz und Frust müssen offengelegt und gehört sowie die eigenen damit verbundenen, negativen Glaubenssätze aufgedeckt und losgelassen werden. Danach kann ein Vergebungsritual sinnvoll sein (z.B. hawaiianisches Gebet zur Vergebung: Ho’oponopono).
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